Am 24. Juni 1945 fand in Moskau die Siegesparade statt. Kommandiert wurde sie von Marschall Rokossowski auf einem schwarzen Pferd, abgenommen von Marschall Georgi Shukow auf einem weißen Pferd: https://youtu.be/G7w3BMhRf7k
Marschälle gibt es heute nicht mehr und die Generäle werden gefahren. Sie müssen praktisch nur einen Stock verschlucken und irgendwie den rechten Arm versteifen und schon gehts los. Im Gegensatz dazu mußten Shukow und Rokossowski selbst reiten können und höchstpersönlich dafür sorgen, auch im Umgang mit den Pferden, daß die vorgeschriebenen Rituale alle vollzogen werden konnten. Diese Kunst ist heute auf die Fahrer der schweren Limousinen übergegangen.
Vielleicht war Corona auch nur ein willkommener Anlaß, die Parade vom 9. Mai weg auf diesen 24. Juni zu schieben. Der 9. Mai ist der sowjetisch-russische Feiertag des Sieges und des Kriegsendes, wenn auch letzteres nicht mit dem Deutschen Reich. In Berlin kapitulierte ja nur die Wehrmacht. Der 24. Juni aber ist der Johannistag, der lichteste Tag des Jahres, Mittsommer und auch in der orthodoxen Kirche Johannes, dem „Vorläufer“ gewidmet.
Wenn es nun nach den Vorstellungen hiesiger „Virologen“ und der ihnen hörigen Teile des Dummvolkes ginge, sollte zumindest Moskau in ca. zwei bis vier Wochen ausgestorben sein. Die Parade fand ja ohne Mundschutz statt und Putin, ebenso wie alle anderen, achtete nicht auf Abstand. Damit würden die Träume der polnischen Herrscher des 17. Jahrhunderts, die von Napoleon und von Hitler Wirklichkeit. Moskau wäre gefallen.
Ich vermute mal, Putin hat riesige Bildungslücken. Er kennt den Großen Kaiserlichen Hof- und Staatsvirologen von Angela I. gar nicht, geschweige denn den Oberveterinär vom Robert-Koch-Institut. Doch gerade aus Anlaß des Großen Vaterländischen Krieges sei daran erinnert: Die Russen sind ungeheuer zäh, opferbereit, klug und immer in der Lage die westliche Zivilisation zu überraschen. So auch diesmal. Wer tauchte putzmunter und durch die dunkle Brille eher mit der Anmutung eines Bodyguards in Putins Nähe auf? Der pöhse Diktator Alexander Lukaschenko aus Belarus, der nach den Theorien hiesiger „Virologen“ auch längst tot sein müßte. Er hatte am 9. Mai die Parade in Minsk durchführen lassen, ohne Mundschutz und ohne Abstand.
Nun hat Putin aber aus Anlaß dieses 75. Jahrestages nicht nur das Militär aufmarschieren lassen. Er hat auch andere wichtige Signale gesetzt.
Wenn die Kameraeinstellungen (jedenfalls auf RT deutsch) bei seiner Rede, nicht zufällig sind, dann waren das starke Hinweise auf die Einheit des Volkes über die Standesschranken hinweg. Es sah so aus, als würden ihm Minin und Poscharski im Hintergrund beistehen:
Das Denkmal für Fürst Dmitri Poscharski und den Mann aus dem Volke Kusma Minin erinnert an deren Wirken in der sog. „Zeit der Wirren“ und an die Vertreibung der polnischen Besatzung aus Moskau.
Damit bin ich bei Putins lange angekündigtem Artikel zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Ins Deutsche übersetzt hat ihn Thomas Röper: https://www.anti-spiegel.ru/2020/ueberraschender-inhalt-putins-artikel-ueber-den-weg-in-den-zweiten-weltkrieg-wurde-veroeffentlicht/
Es zwar nichts absolut Sensationelles, doch kann ein Staatsführer, zumal einer so bedeutenden Nation wie Rußland, nicht mit einem Schlag das gesamte Geschichtsbild seines Volkes über den Haufen werfen. Was dabei herauskommt, wenn man einem Volk seine Traditionen raubt, sowohl in geistiger wie in materieller Hinsicht, kann ja am deutschen Volk oder dem, was davon übrig ist, besichtigt werden.
Am heutigen Zustand der Deutschen, dem Herabsinken zu einer Bevölkerung von Schlafschafen und Dumpfbacken, tragen die Russen wohl am wenigsten Schuld. In ihrer Besatzungszone setzten sie zwar harte Reparationsmaßnahmen durch, aber, und das sei allen „DDR 2.0; DDR 3.0“ und ähnlichen Quatsch plärrenden Doofmichels aus dem sog. „Widerstand“ (ein Wort, das sie auch meistens falsch schreiben) gesagt: Weder die Sowjetunion noch deren Satrapen aus der DDR haben jemals einen Völkermord am deutschen Volk versucht oder begangen. Sie haben das Volk mit Propaganda überzogen, aber die geistige und seelische Substanz des deutschen Volkes nie angegriffen oder versucht zu beseitigen. Die gebildeten Russen haben die deutsche Kultur bewundert. Das ging bis hin zu den militärischen Traditionen, die man noch heute auf dem Roten Platz bestaunen kann. Die Uniformen sind an die Zarenzeit angelehnt (Preobrashenski-Regiment), aber der Schritt ist der preußische Stechschritt und der preußische Exerzierschritt (wie auch in vielen anderen Armeen der Welt). Auch in der NVA wurden diese als „Paradeschritt“ praktiziert. (NB: In der NVA der DDR trugen die Generäle, Admiräle und Offiziere Ehrendolche und Ehrensäbel. Das Tragen solcher Waffen gibt es in der Bundeswehr nicht. Ich glaube aber in Militärkreisen sind solche Gimmicks sehr wichtig. Vielleicht ist das auch ein Hinweis auf das Verhältnis der Besatzer zu den Besetzten.)
Ein Punkt, den Putin „natürlich“ ebensowenig berührt wie den Winterkrieg 1939/40, ist die Verteufelung Preußens durch die Siegermächte einschließlich der Sowjetunion. Die DDR öffnete sich in den 80er Jahren mit gebotener Vorsicht der preußischen Tradition. Die DDR-Bürger rieben sich damals die Augen als große Biographien über Friedrich II. und Bismarck erschienen und Unter den Linden in Berlin das Reiterdenkmal des Alten Fritz wieder aufgestellt wurde. Was mich als Fangirl des großen Immanuel allerdings an diesem preußischen Denkmal stört, ist, daß Kant dort unter dem Hintern des königlichen Gauls verewigt ist.
Irgendwann wird sich auch die russische Geschichtsschreibung eingehender mit dem Denken und Handeln von „Väterchen Stalin“ befassen müssen. Viele der Verbrechen (nicht nur Katyn), die Deutschen in die Schuhe geschoben wurden, hatten ihre Ursache im Versagen der sowjetischen Führung, bis dahin, daß diese höchstwahrscheinlich über Richard Sorge genau über den Angriffstermin der Deutschen informiert war.
Ich bin weder Militärhistoriker noch -stratege und möchte z.B. das akribisch zusammengetragene Zahlenwerk zur Aufrüstung auf beiden Seiten von Schultze-Rhonhof nicht in Frage stellen. Allerdings sollte man dabei folgendes berücksichtigen und mag man zur Oktoberrevolution stehen wie man will: Die sowjetische Führung hatte aus den der Revolution folgenden Ereignissen gelernt, daß sie im Grunde niemandem trauen konnte und stets auf einen Krieg vorbereitet sein mußte. Die westlichen Mächte unterstützten die „weiße“ Bürgerkriegspartei und Deutschland hatte den sog. „Raubfrieden“ von Brest-Litowsk geschlossen. Im Zusammenhang mit diesem Friedensvertrag sollten auch die Rollen von Lenin und Trotzki genauer untersucht werden. Trotzki empfand diesen Frieden als so bedrückend, daß er ihn nicht schließen wollte. (NB: Die Reiterarmeen von Marschall Budjonny brachten es in der Zeit nach der Revolution zu sagenhaftem Ruhm, vielleicht rettete das Budjonny bei den Säuberungen in den 30er Jahren das Leben, vielleicht war es auch der Fakt, daß er eine „altmodische“ Waffengattung vertrat, die Kavallerie. Damit konnte er keine große Rolle mehr in modernen Kriegen spielen und Stalin auch nicht gefährlich werden.) Die Marschälle Blücher und Tuchatschewski überlebten die 30er Jahre jedenfalls nicht.
Das wäre ein Gegenargument, nicht das wichtigste, daß man doch nicht die talentiertesten Militärs umbringt kurz bevor man einen großen Krieg vom Zaune brechen will. Leute wie Shukow traten während des Krieges nach vorn und gerade Shukow wurde ja an fast alle Fronten geschickt, um jedesmal wieder die Niederlage abzuwenden. Welche Rolle er nach Stalins Tod und beim Tode Berijas spielte, wird wohl auch noch zu erforschen sein. Das ist keine rein sowjetische Angelegenheit, denn die sog. „Stalin-Note“ von 1952, die der Westen unbeachtet gelassen hat, soll ja auf Berija zurückgehen. Daß Shukow aber an der Ermordung Berijas (der zweifellos sehr blutige Hände hatte) beteiligt war, darf als gesichert gelten.
Ein weit gewichtigeres Argument gegen die These vom Präventivschlag der Deutschen gegen die hochgerüsteten Russen scheint mir aber zu sein, daß die Sowjetunion/Rußland seit jeher eine Landmacht war/ist. Die Militädoktrin der Landmächte ist eine andere als die der Seemächte Großbritannien/USA. Und: Ideologie ist noch etwas anderes als Militärdoktrin, wenn das eine auch nicht unabhängig vom anderen besteht. (NB: China ist ebenfalls traditionell Landmacht und verhält sich z.B. in Afrika auch so. Die Tendenz zur Weltmacht, die auch die Beherrschung der Meere einschließt, ist beim modernen China aber zweifellos vorhanden.) Die Sowjetunion wollte ihre Grenzen schützen und sie zu diesem Zwecke auch hinausschieben, aber sicher nicht bis nach Deutschland. So wird auch der Hitler-Stalin-Pakt mit den Geheimprotokollen und der Winterkrieg gegen Finnland erklärbar. Letzteren erwähnt Putin nicht. Rätselhaft bleibt, warum dieser Krieg gegen das kleine Finnland so grottenschlecht von sowjetischer Seite geführt wurde. Der Spekulation darüber sind Tür und Tor geöffnet, das ist aber nicht mein Thema.
Außerdem ging die marxistische Ideologie ursprünglich von einer Revolution in allen entwickelten Ländern gleichzeitig aus, aber auch Lenins Hoffnungen auf Deutschland hatten sich zerschlagen. Noch einmal: gerade in diesem Zusammenhang wäre es interessant, was Stalin wirklich über die Nationalsozialisten und Hitler dachte. Doch, falls darüber mehr als das bisher Veröffentlichte vorhanden ist, wird das wohl noch lange unter Verschluß bleiben. Es könnte das Narrativ des Großen Vaterländischen Krieges zu stark beschädigen. Immerhin löste Stalin ja Hitlers „Staatsgefangenen“ Nr. 1, Ernst Thälmann, nicht aus und die KPD als Teil der von Moskau gesteuerten Komintern hatte offenbar kein tragfähiges Sicherheitskonzept für ihren Vorsitzenden.
Ich vermute, daß sowohl die Deutschen als auch die Sowjets noch einige Zeit nach dem September 1939 glaubten, sie könnten ihre gegenseitigen Beziehungen noch lange so wie gehabt fortsetzen. Hitlers Handeln 1941 ist aber derart absurd, daß ich den Thesen von Nikolai Starikov zuneige. Die deutsche Übersetzung gibt es hier: http://www.dr-schacht.com/Starikov_Wer_hat_Hitler_gezwungen_STALIN_zu_ueberfallen.pdf. Vermutlich war es nicht allein der Leibarzt Dr. Morell, der Hitler dopte.
In unseren Tagen, wo ein Ringen wahrhaft biblischen Ausmaßes stattfindet, kann Putin nicht die identitätsstiftende Erzählung vom Heldentum des Sowjetvolkes demontieren, das würde Rußland zu stark schwächen. Falsch ist diese Heldenerzählung ja auch nicht, nur mußte der Heldenmut des Volkes zum großen Teil die Fehler und Grausamkeiten der Führung kompensieren.
Der Ansatz, zunächst einmal die polnische Haltung, noch nicht gegenüber den im Machtbereich Polens lebenden Deutschen, wohl aber gegenüber Hitler, den Westmächten, der Sowjetunion, besonders gegenüber der Tschechoslowakei und andeutungsweise auch gegenüber den Juden ungeschönt darzustellen, ist ein großer Fortschritt auf dem Wege zum Aufdecken der historischen Wahrheit.
Putins Ausführungen zum Verhalten der Westmächte gegenüber der Tschechoslowakei mögen das heutige naive Publikum vielleicht überraschen. Geht doch die gängige Erzählung so: Friedliebende Westmächte wollten, wenn auch unter schweren Opfern (natürlich nicht ihren eigenen) für Frieden sorgen. Pöhser Adolf nahm die Tschechoslowakei und hielt sich im Übrigen nicht an die Abmachungen. Soweit ich mich an den Geschichtsunterricht in meiner Jugendzeit erinnere, haben wir damals schon in diese Richtung gedacht. Die Westmächte begingen Verrat an ihren Bündnispartnern. Die Sowjetunion nahm das als Fingerzeig auf einen möglichen Verrat auch ihr gegenüber. Es gab irgendwann in den 70er Jahren sogar einen Film über das Münchner Abkommen. Er hieß „Tage des Verrats“. Selbstverständlich war auch für uns damals Hitler mit seinen Nazis das absolut Böse. An diesem Punkt treffen sich bis heute östliche und westliche Propaganda. Dieser Punkt müßte aufgelöst werden. Heute würde das aber nicht nur die Stabilität Rußlands gefährden, sondern es würde auch von den meisten deutschen Doofmichels nicht akzeptiert werden.
Ich weiß, daß die absolute Wahrheit niemals erreicht werden kann, ja, daß auch Rankes Ziel der Geschichtsschreibung, zu zeigen „wie es wirklich gewesen“ sei, unerreichbar ist. Doch einige Lügen werden nun höchst offiziell zerschlagen und damit wird wieder ein Stück des Weges für die Wahrheit gebahnt. Die Linie von Minin/Poscharski zu Putin steht also.