November – Tod, Trauer und Ausblick

ODER: Der 19. November ist ein besonderer Tag

Der Totensonntag rückt heran und ich werde ein kleines Gesteck auf dem Grab meiner Mutter ablegen, dann kehrt Ruhe ein, bis zum Frühjahr sehe ich nur ab und zu mal nach, ob es noch daliegt.

Meine Mutter starb Ende 2015. Damals hielt ich an ihrer Urne eine kleine Ansprache. Als ich darüber nachdachte, was ich wohl sagen müßte, kam ich darauf, daß der 19. November für unsere Familie eine besondere Bedeutung hat. Ich füge meine damalige Rede hier mal ein, denn sie zeigt auch ein wenig Zeitgeschichte und, am Beispiel meiner Familie mütterlicherseits, wie die Deutschen jahrzehntelang traumatisiert und geschlagen wurden, aber immer wieder Kraft und Zuversicht fanden, aufzustehen.

Mit diesem 19. November, an dem mein Großvater 1941, also vor 80 Jahren, fiel, ist in unserer Familienüberlieferung noch eine Erzählung verbunden, eine, wie sie häufig in Kriegszeiten vorkommt. Meine Mutter, meine Oma und meine Uroma, die zusammen in unserem Häuschen wohnten, hörten unabhängig voneinander Schritte von der Gartentür zum Haus und ein Klopfen am Fenster, von dem sie glaubten, es sei mein Großvater gewesen. Als sie nachschauten, war da niemand, aber wenige Tage später kam der Brief.

Ja, es war das Übliche, für Führer, Volk und Reich, Kopfschuß, er mußte nicht leiden. Etwas später kam dann auch das Blech EK 2.

Das folgende Weihnachtsfest war das einzige, an dem kein Baum aufgestellt wurde.

Ich vermute mal, Textbausteine hatten die auch schon, nur mußten diese mit der Hand abgeschrieben werden. Heute wäre wohl kaum noch jemand in der Lage, solche Briefe zu schreiben. Gerade deshalb habe ich sie hier eingefügt. Diese wurden wohl auch nicht mit der Maschine geschrieben, weil das damals als zu unpersönlich gegolten hätte.

In diesen Jahren wurden die Völker aufeinandergehetzt, unzählige Leben ausgelöscht. Für das einfache Volk, das den hohen Blutzoll und nicht nur diesen bezahlen mußte, blieben am Ende ein paar Stücke Papier und ein bisschen Blech und eine große Ratlosigkeit.

Heute werden wieder die Völker aufeinandergehetzt und man kann nur hoffen, daß wenigstens die Russen und die Deutschen ihren eigenen und den fremden Herrschern nie wieder erlauben werden, derartiges Unheil über die Menschheit zu bringen.

Gut sieht es in dieser Hinsicht aber nicht aus. Die Herrschenden (nicht die Marionetten) betreiben heute nicht mehr nur Völkermord an fremden Völkern, sondern auch an den eigenen. Vielleicht ist es für das einfache Volk deshalb so schwer zu erkennen, daß ein Krieg stattfindet, schlimmer und heimtückischer als alles bisher Dagewesene. Diesmal gibt es keine Mächte mehr, von denen man annehmen könnte, daß sie dem Spuk ein Ende bereiten. Würden die einfachen Leute, die Sklavenmasken abnehmen, wäre es vorbei. Aber wie soll man die völlig enthirnten Zombis dazu bringen?

Trotzdem, an einem 19. November bin ich zum 2. Mal Großmutter geworden. Leider kann ich meinen Enkel jetzt nicht sehen, habe aber vorhin mit ihm telefoniert. In diesen dystopischen Zeiten geht leider auch viel an familiärem Zusammenhalt verloren, aber selbst so einzelgängerische Menschen wie ich finden auch neue „Wahlverwandtschaften“. Ich nenne sie meine Adoptivfamilie. Vor genau einem Jahr, am 19. November, kam dort ein kleines Mädchen zur Welt, so daß ich nun zwei leibliche und drei Adoptivenkel habe. Die sollen nicht in eine Sklavengesellschaft hineinwachsen.